Der Digitale Produktpass

PDF Version: Digitaler Produktpass – Status Quo

Der Digitale Produktpass (DPP) ist ein Schlüsselelement der europäischen Kreislaufwirtschaftsstrategie und hat seinen Ursprung in der Ökodesign-Verordnung. Initiiert durch den digitalen Produktpass wird eine digitale Basisinfrastruktur für Kreislaufführung aufgebaut. Künftig werden zahlreiche Produkte mit eindeutig identifizierbaren Markern versehen werden, um spezifische Informationen wie zum Beispiel den CO2-Fußabdruck, Reparierbarkeit oder toxische Inhaltsstoffe abrufbar zu machen. Dies soll die Kreislauffähigkeit von Produkten antreiben, Kunden bei ihrer Kaufentscheidung besser informieren und insgesamt mehr Transparenz entlang der Wertschöpfungskette schaffen. Die ersten Umsetzungen des Digitalen Produktpasses sind für die Bereiche Batterien (ab 2027), Textilien, Elektronik, Kunststoffe, sowie den Bausektor geplant. Ab 2030 sollen Vorschriften für viele weitere Produktkategorien eingeführt werden. Da diese Regelungen noch in der Entstehungsphase sind, gibt es derzeit jedoch noch viele offene Fragen.

Beim Event „Digital Product Passport – Framework, Use-Cases und Challenges” am 22.11.2023, das die Plattform Industrie 4.0 im Auftrag des BMK und in Zusammenarbeit mit der IEEE durchgeführt hat, gab es einen umfangreichen Blick auf den digitalen Produktpass aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Folgende Zusammenfassung nutzt die Informationsbasis dieses Events, sowie weitergehende Recherchen zum Thema – alle Foliensätze 01 bis 13 sind am Ende des Beitrags angehängt.

Wie alles begann – Europäische Kommission

Die Grundlage des DPP liegt in einem aktuellen Schwerpunktthema der Europäischen Kommission, nämlich der Twin Transition, also der gekoppelten ökologischen und digitalen Transformation. Dabei spielen nicht nur Emissionen und Energie, sondern auch Ressourcen eine zentrale Rolle. Niedrige Rohstoff- und Nutzungskosten haben beispielsweise dazu geführt, dass die Ressourceneffizienz seit 2010 stagniert oder sogar abnimmt. Außerdem wird ein starker Zusammenhang zwischen Ressourcenverbrauch und Wohlstand gesehen, der diese Problematik weiter verschärft (siehe Foliensatz 01).

Der Ausweg aus dem hohen Ressourcenverbrauch hin zu hoher Ressourceneffizienz liegt in der Kreislaufwirtschaft. Kernidee ist dabei, Ressourcen so lange und gut wie möglich im Kreislauf zu halten. Da etwa 80% der Nachhaltigkeit eines Produkts bereits durch das Produktdesign definiert werden, spielt dieser Schritt eine entscheidende Rolle. Die Ökodesign-Verordnung der Europäischen Kommission setzt genau hier an und fördert die Zirkularität von Produkten, beispielsweise durch Erfüllung gewisser Kriterien in den Bereichen Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Aufarbeitung und Recycling. Bei einer Vielzahl der geforderten Kriterien ist jedoch die Informationsbasis des Herstellers alleine nicht ausreichend. Es bedarf Informationen und Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Produktes. Und genau hier kommt der DPP ins Spiel. Durch den DPP sollen relevante Daten entlang der Wertschöpfungskette verfügbar gemacht werden.

Die Idee des DPP ist also in der europäischen Ökodesign-Verordnung verankert (ESPR). Ein grober Zeitplan einer möglichen Umsetzung des DPP ist in nachfolgender Abbildung zu sehen.

Erwarteter DPP Zeitplan (WBCSD, 2023)

Die Verordnung befindet sich derzeit (Stand 11/2023) im Trilog, der Anfang 2024 abgeschlossen werden soll. Nach Abschluss der Verhandlungen werden ab 2024 Delegated Acts für gewisse Produktgruppen gestartet. Einfach gesagt soll in diesen Delegated Acts festgelegt werden, welche Informationen für welche Produkte im Digitalen Produktpass verankert sein müssen.

Ein weiterer wichtiger Punkt im Verständnis des DPP in der Europäischen Kommission ist die Unterscheidung zwischen den Bereichen: „DPP System“ und „DPP Data“. „DPP Data“ beschreibt dabei den Datensatz, der aus den Daten/Informationen besteht, die von den beteiligten Stakeholdern entlang der Wertschöpfungskette zur Verfügung gestellt werden. Diese variieren wie zuvor beschrieben bei den unterschiedlichen Produkt(gruppen) und werden in den zugehörigen Delegated Acts definiert.

Im Gegensatz dazu bezeichnet „DPP System“ das technische System, das zur Umsetzung der in der Ökodesign-Verordnung beschriebenen DPP-Konzepte verwendet werden soll. DPP System ist also das zugrunde liegende IT/Softwaresystem, das das Speichern und Auslesen von Daten im DPP ermöglicht. Dies soll beispielsweise die einfache Interaktion zwischen den verschiedenen Akteuren entlang der Wertschöpfungskette sicherstellen sowie die Zuordnung eines physischen Produkts zum DPP durch einen Unique Identifier. Das DPP System umfasst daher alle Standards und Protokolle in Bezug auf die IT-Architektur, sowie das DPP-Register. Für die Umsetzung der Kriterien in einen technischen Standard wurde mithilfe eines Standardisierungsantrags (Standardization Request) im Juli 2023 CEN und CENELEC beauftragt. Damit sind CEN und CENELEC angehalten, harmonisierte europäische Normen für das DPP System zu entwickeln und damit die volle Interoperabilität des Digitalen Produktpasses sicherzustellen. Der Standardisierungsauftrag bildet daher die Grundlage für zukünftige harmonisierte Standards und ist in acht Module unterteilt:

  • Unique Identifier / Eindeutig identifizierbarer Marker
  • Datenüberträger und Verknüpfungen zwischen dem physischen Produkt und seinem digitalen Abbild
  • Management der Zugriffsrechte, Information, Systemsicherheit und Schutz von Geschäftsgeheimnissen
  • Interoperabilität (technisch, semantisch, organisatorisch)
  • Datenverarbeitung, Datenaustausch und Datenformate
  • Datenspeicherung, Archivierung und Datenerhalt
  • Authentifizierung, Zuverlässigkeit, Integrität
  • Programmierschnittstellen (APIs) für den Digitalen Produktpass zum Lebenszyklusmanagement und zur Suchfunktionalität

Was ist nun der Digitale Produktpass?

Die Phrase „Pass“ im Digitalen Produktpass lässt vermuten, dass der DPP ähnlich wie ein Reisepass ein amtliches Dokument beschreibt, das die Inverkehrbringung oder den Import eines Produktes in die EU erlaubt. Das stimmt allerdings nur teilweise – der DPP umfasst wesentlich mehr, nämlich verschiedene Daten entlang der Wertschöpfungskette eines Produktes. Außerdem ist noch nicht gewiss, inwiefern die Daten im DPP überprüft werden (können). Demnach sollte der DPP weniger als Pass, sondern als (möglicherweise zertifizierter) Lebenslauf eines Produktes gesehen werden.

Genug zur Philosophie um den Begriff selbst, eine Definition des BMUV (2023) beschreibt folgendes:

„Der digitale Produktpass ist ein Datensatz, der die Komponenten, Materialien und chemischen Substanzen oder auch Informationen zu Reparierbarkeit, Ersatzteilen oder fachgerechter Entsorgung für ein Produkt zusammenfasst. Die Daten stammen aus allen Phasen des Produktlebenszyklus und können in all diesen Phasen für verschiedene Zwecke genutzt werden (Design, Herstellung, Nutzung, Entsorgung).“

Der digitale Produktpass ist also ein strukturierter Datensatz produkt- bzw. materialbezogener Daten und hat mehrere Funktionen:

  • Sammeln von Produktinformationen über den Produktlebenszyklus hinweg
  • Digitale Speicherung von Daten
  • Einfacher Zugriff auf Daten (z. B. durch scanbare QR-Codes)

Wenn wir nun jedoch danach fragen, welche Daten genau gesammelt und gespeichert werden, wie die Daten gespeichert werden, wie der Zugriff stattfindet, wer darauf zugreifen kann, etc., wird es schon etwas komplexer und vor allem vager. Aus momentan Sicht sind einige dieser Punkte noch offen. Mit dem Beschluss der Ökodesignverordnung sowie dem Start der Delegated Acts, werden vermutlich nach und nach weitere Informationen zum Digitalen Produktpass verfügbar sein. Momentan müssen wir uns leider damit abfinden, dass noch nicht alle Details fixiert sind. Zu einigen Punkten gibt es allerdings schon heute Einsichten, oder zumindest Tendenzen – folgende Details zum DPP sind aus heutiger Sicht zu erwarten:

  • Datenanforderungen: Umfang und Inhalt der Daten im DPP sind vordefiniert und werden in den Delegated Acts bestimmt – die notwendigen Daten werden in jeder Produktgruppe einzeln definiert. Wie genau über diese Produktgruppen entschieden wird, ist noch unklar. Ob der DPP für jedes Einzelprodukt, Batches, oder ein ganzes Produktmodell notwendig ist, hängt voraussichtlich von der Produktgruppe ab.
  • Priorisierte Industrien: Industrien, in denen der DPP aus jetziger Sicht als erstes eingeführt werden soll sind die Sektoren Textilien, Elektronik, Batterien (siehe Batteriepass weiter unten), Kunststoffe, Möbel, Chemikalien, sowie der Bausektor – entsprechend der Fokusbereiche des Circular Economy Action Plans der Europäischen Kommission.
  • Zugriff: Die Zugriffsrechte für den DPP sind vordefiniert. Es wird mehrere Zugriffsebenen geben –Basisinformationen sollen frei verfügbar sein (und möglicherweise auch offline) – detaillierte Informationen benötigen Zugriffsrechte (und werden online verfügbar sein).
  • Art der Daten: Der (zurzeit) geplante Scope des DPP sind Informationen zu Kreislauffähigkeit, Nachhaltigkeit, Werterhalt durch z.B. Re-use, Re-manufacturing und Recycling. Der DPP wird kreislaufbezogene Stamm- und Lebenszyklusdaten enthalten.
  • Unique Identifier: Der Zugriff auf den DPP erfolgt durch einen Unique Identifier. Optionen für den Unique Identifier sind beispielsweise QR code, Barcode, RFID, Watermark, NFC,Bluetooth tags – diese werden vermutlich in den Delegated Acts für jede Produktgruppe definiert.
  • Datenspeicherung: Die Speicherung der Daten erfolgt nicht zentral, sondern durch die Unternehmen selbst (mit Ausnahme des DPP Registries, das zentral gespeichert werden soll). Sowohl für den Unique Identifier als auch für die Art der Speicherung wird es voraussichtlich keine Vorschrift, sondern nur Vorschläge der Europäischen Kommission geben.
  • Governance: Der Inverkehrsetzer eines Produkts ist für den DPP dieses Produktes verantwortlich. Alle Produkte, die in Europa verkauft werden, benötigen einen DPP. Ob und in welcher Art und Weise die Daten im DPP überprüft werden sollen, ist noch unklar.
  • Unternehmensgröße: Aus jetziger Sicht wird der DPP vermutlich nicht nach Unternehmensgröße unterscheiden – alle Unternehmen, ob KMU oder Großbetrieb, müssen den DPP umsetzen.

Mehr Details zu diesem Thema und einen guten Überblick über offene Punkte und Tendenzen der Europäischen Kommission gibt es in den Veröffentlichungen des WBCSD uns außerdem im Foliensatz 02.

Außerdem bietet das Projekt CIRPASS (siehe Foliensatz 10) als Coordination & Support Action zum DPP eine Vielzahl an weiteren Informationen. Ziele dieses Projekts sind unter anderem, Beispiele für bestehende DPP-ähnliche Systeme zu sammeln, Standards zu analysieren, sowie die Entwicklung von Roadmaps und Prototypen. Außerdem bietet das Projekt einen guten Überblick über Anforderungen an den DPP. Politische Anforderungen umfassen dabei: Keine proprietären Lösungen; Offene Standards und interoperable Formate; Dezentralisierte Datenspeicherung; Sowohl statische als auch dynamische Daten; Öffentliche und private Zugangsdaten. Auf Unternehmensseite gibt es folgende Anforderungen: Akzeptanz – Maximale Wiederverwendung von Altsystemen und Altdaten; Anpassung sowohl an gesetzliche als auch an nicht-gesetzliche (geschäftsmodellspezifische), sich entwickelnde Informationsanforderungen; Zukunftssicher und einfach zu implementieren.

Ziele und Nutzen des Digitalen Produktpasses

Der Digitale Produktpass wird als der Enabler für die Kreislaufwirtschaft gesehen. Mithilfe des digitalen Produktpasses sollen Daten entlang der Wertschöpfungskette verfügbar gemacht werden, um die Ressourceneffizienz auf verschiedene Weisen zu steigern. Folgende fünf Hauptziele werden von der European Health and Digital Executive Agency (HaDEA, 2023) definiert:

  • Ermöglichung des Austauschs wichtiger produktbezogener Informationen, die für die Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit von Produkten wesentlich sind.
  • Beschleunigung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft, Steigerung der Material- und Energieeffizienz, Verlängerung der Produktlebensdauer und Optimierung von Produktdesign, -herstellung, -nutzung und -umgang am Ende der Lebensdauer.
  • Schaffung neuer Geschäftsmodelle für die Wirtschaftsakteure durch die Erhaltung und Optimierung von Kreislaufwerten (z. B. Produkt-as-a-Service-Aktivitäten, verbesserte Reparatur, Wartung, Wiederaufbereitung und Recycling) auf der Grundlage eines verbesserten Datenzugangs.
  • Unterstützung für den Verbraucher, nachhaltige Entscheidungen zu treffen
  • Überprüfung der Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen durch Behörden

Der Batteriepass – wieso ist er so wichtig?

Der sogenannte Batteriepass kommt ursprünglich nicht aus der Ökodesign-Verordnung, sondern ist in einer eigenständigen Batterieverordnung verankert. Der Batteriepass wird der erste Anwendungsfall des Digitalen Produktpasses sein und ist voraussichtlich ab 2027 verpflichtend. Der Batteriepass kann als Proof-of-Concept betrachtet werden, an dem sich der DPP für weitere Produktgruppen orientieren wird.

Schlüsselanforderungen aus der Batterie-Verordnung, die sich voraussichtlich im DPP ähnlich widerspiegeln werden, sind:

  • Allgemeine Batterie- und Herstellerinformationen
  • Konformität, Kennzeichnungen, Zertifizierungen
  • CO2-Fußabdruck von Batterien
  • Sorgfaltspflicht in der Lieferkette
  • Batteriematerialien und Zusammensetzung
  • Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz
  • Leistung und Haltbarkeit

Initiativen zum Batteriepass umfassen unter anderem:

  • CIRPASS (wie bereits beschrieben, siehe Foliensatz 10)
  • Battery Pass (deutsches Projekt mit EU-Umfang)
  • Battery Passport der Global Battery Alliance
  • BatWoMan (siehe Foliensatz 11)
  • Dataspaces (Catena-X, Manufacturing-X, …)

Wieso der Produktpass zwar ein EU-Regularium ist, jedoch internationale Auswirkungen hat

Der DPP ist zwar ein EU Regularium, hat aber globale Auswirkungen. Der Grund dafür ist naheliegend – Produktionsketten weisen heutzutage eine starke Vernetzung auf, praktisch alle Unternehmen stehen direkt oder indirekt miteinander in Beziehung. Lieferketten sind keineswegs linear, sondern eigentlich hochvernetzte globale Netzwerke. So wurde beispielweise gezeigt, dass ein Unternehmen bereits über drei weitere, mit Unternehmen am anderen Ende der Welt vernetzt ist (siehe Foliensatz 2 und veranschaulicht in folgender Abbildung). Dies lässt auch die Schlussfolgerung zu, dass globale Lieferketten (international) & zentral koordiniert und verantwortet werden sollten.

Daraus wird klar ersichtlich, dass der DPP keine rein europäische Bestrebung ist, sondern globale Auswirkungen hat. Die allermeisten europäischen Unternehmen beziehen Rohstoffe oder Zwischenprodukte aus Regionen außerhalb der EU. Diese Zulieferer müssten demnach ebenso alle nötigen Informationen für den DPP liefern. Genauso müssten zukünftig alle in der EU verkauften Produkte einen Produktpass nachweisen, auch wenn diese außerhalb Europas produziert werden.

Wichtig ist es daher, den DPP nicht als rein europäische Initiative zu betrachten, sondern von vorneherein internationale Kooperationen zu forcieren und damit zu gewährleisten, dass sich der europäische DPP auch global durchsetzen kann. Dies wird unter anderem in den Foliensätzen 02, 05, 06, und 07 behandelt.

Ein ungarisches Unternehmen ist heutzutage bereits über drei Pfade mit einer Firma aus Ecuador vernetzt (Bacilieri et al. 2023 & Foliensatz 2)

Welchen Nutzen und Herausforderungen sieht die Industrie?

In der kürzlich veröffentlichten Studie DPP4all der FH St.Pölten im Auftrag des BMK, wird ein erstes Stimmungsbild des DPP in der österreichischen Industrie aufgezeigt und ein genereller Überblick über den DPP gegeben (Studie & Foliensatz 08).

Ergebnisse der Studie zeigen beispielsweise auf, dass österreichische Betriebe durch den DPP bessere Bewertbarkeit der Produktnachhaltigkeit und erleichterte Bewertbarkeit der Wertschöpfungskette erwarten, sowie, dass der DPP neue Geschäftsmodelle und Innovation für die Kreislaufwirtschaft antreiben wird. Andererseits wird die Kostenreduktion bei der Produktion, Vertrieb oder Einkauf weniger mit dem DPP verbunden. Für Unternehmen scheint außerdem das Teilen von Daten (Secrecy) ein wichtiges Kriterium bei der Einführung des DPP. Weiteres werden drei Haupthürden für Unternehmen identifiziert:

  • Übertriebene Dokumentationspflichten: Beispielsweise mangelnde Harmonisierung, zusätzliche Verpflichtungen und daraus resultierende Redundanzen, Aufwand & Kosten der langfristigen Speicherung und Pflege von Daten.
  • Interoperabilität: Beispielweise Harmonisierung der Dokumentationsstandards, Kompatibilität der Daten, Umgang mit Mehrsprachigkeit und Heterogenität.
  • Organisatorische Komplexität und fehlende Anreize: Beispielweise Mangel an ausreichend qualifizierten technischen Experten für den DPP, Bewältigung der Komplexität, Festlegung der Verantwortlichkeit für den DPP innerhalb der Organisation.

Außerdem werden konkrete Empfehlungen für die Industrie angeführt – obwohl eine Vielzahl an Details zum DPP noch offen sind, gibt es jetzt schon die Möglichkeit konkrete erste Schritte zu setzen:

  • Kennen Sie Ihre Daten – Welche Daten werden im DPP benötigt? Wie sollen die Daten verfügbar sein?
  • Überprüfen Sie Ihre ESG-Kennzahlen und -Methoden – Welche ESG-Kennzahlen muss ich bedienen? Kann ich bestehende ESG-KPIs wiederverwenden?
  • Beherrschen und nutzen Sie Interoperabilität – Schließen Sie digitale Lücken in der Informationslieferkette. Halten Sie sich an offene Standards bei der syntaktischen und semantischen Beschreibung von produktbezogenen Daten und setzen Sie diese Standards unternehmensweit ein.
  • Beherrschen Sie organisatorische Komplexität – Bilden Sie ein DPP-Team. Stimmen Sie sich mit Partnern entlang der Lieferkette ab. Nutzen Sie DPP-Daten für bessere Markteinblicke und betriebliche Effizienz.

Fakt ist jedoch: Pauschalaussagen zum Digitalen Produktpass aus Sicht der Industrie gibt es nicht. Da der Digitale Produktpass für unterschiedliche Branchen und Produktgruppen anders aussehen wird, gehen hier natürlich auch die Meinungen auseinander. Hier drei Perspektiven aus der Industrie:

Michael Heiss von Siemens schilderte beispielsweise (siehe Foliensatz 09), dass der DPP die Grundlage für eine Vielzahl von Optimierungsmöglichkeiten für Unternehmen und Prozesse sein wird. Die entstehende und baldige verpflichtende Datenerfassung entlang der Lieferkette bietet die Basis, zukünftig Prozesse über Unternehmensgrenzen hinweg zu optimieren und damit tatsächlich nachhaltiger und effizienter zu produzieren, auch über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg. Ein Mittel zum Zweck sind dabei Data Spaces, die eine Umgebung für den strukturierten Datenaustausch zwischen Unternehmen definieren.

Auch der Vortrag von Pascal Mast von TÜV Süd (siehe Foliensatz 12) konzentrierte auf das Thema des firmenübergreifenden Datentransfers. Unternehmen müssen sich vom Egosystem entfernen und in Richtung eines Ökosystems denken, und daher über Unternehmensgrenzen hinweg. Das vorgestellte Projekt Catena-X bietet dabei einen ersten Use-Case zu Data Spaces und dem Batteriepass für die Automobilindustrie.

Als letzten Beitrag gewährte Günter Grabher Einblicke in den DPP aus Sicht der Textilindustrie, eine der priorisierten Industrien und damit eine der ersten Umsetzer des DPP. In der Textilindustrie ist beispielsweise der Unique Identifier so problematisch wie in kaum einem anderen Sektor. Das Problem dabei ist, dass viele Kunden die Etiketten aus ihren Kleidungsstücken entfernen, und somit die Platzierung eines Unique Identifier schwierig ist. Im Kleidungsstück selbst dürfen RFID Chips nicht verarbeitet, und QR Codes oder Barcodes fallen aufgrund des möglichen fehlenden Etiketts weg. Momentan wird daher erforscht, welche weiteren Möglichkeiten es für den Unique Identifier für Textilien gibt. Der Textilbereich ist hier aber sicherlich kein Einzelfall – fast alle Branchen oder Produktgruppen haben spezifische Eigenschaften und Anforderungen und damit unterschiedliche Herausforderungen an die Umsetzung des DPP.

Fazit

Zusammengefasst kann gesagt werden: Der DPP kann und wird ein wichtiger Treiber für die Kreislaufwirtschaft sein – bis zu seiner breiten Umsetzung sind aber noch einige Hürden zu überwinden.

Gewiss ist allerdings, dass das Potential des Digitalen Produktpasses zumindest bei den größeren Unternehmen oft schon wahrgenommen wird. Vor allem bei kleineren Betrieben wird das Thema des DPP jedoch oft skeptisch gesehen – kein Wunder, da aus jetziger Sicht kleine Unternehmen sogar doppelt benachteiligt werden könnten: Einerseits sind kleine Betriebe oft von ihren Lieferanten abhängig (und nicht umgekehrt), was die Datenbeschaffung von beispielsweise nicht EU-Zulieferern erschweren könnte. Andererseits ist es kleineren Unternehmen nicht immer möglich gesonderte Personen abzustellen, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen. Lösungen für diese Problematik gibt es aus jetziger Perspektive dafür noch keine – Sichtbarmachung und Kommunikation sind hier allerdings auf jeden Fall erste Schritte in die richtige Richtung.

Es ist nicht die Frage ob, sondern wann der Digitale Produktpass kommt. Unternehmen sollten sich daher darauf vorbereiten, und rechtzeitig erste nötige Schritte setzen. Der DPP hat die Chance einen wesentlichen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu leisten, und kann – wenn klug eingesetzt – auch zu Effizienzsteigerung in Unternehmen und vor allem entlang von Wertschöpfungsketten führen.

Weitere nützliche Informationen und Links