Zumtobel Group: Sensor-basiertes Lichtmanagement

Zumtobel Group: Sensor-basiertes Lichtmanagement

Case Study Zumtobel Group: Mit Sensor-basiertem Lichtmanagement Kosten (Energie, Wartung) sparen und neue Geschäftsmodelle etablieren

Kurzfassung

Die Zumtobel Group, ein internationaler Lichtkonzern und führend im Bereich der innovativen Lichtkomponenten, arbeitet gemeinsam mit Bosch Software Innovations an der Entwicklung von energieeffizienten und intelligenten gewerblichen Gebäuden. Im Pilotprojekt „Life Cycle Tower ONE“ (Rhomberg Group) in Dornbirn wurde ein innovatives Lichtmanagementsystem installiert, das den Nutzen von IoT mit vernetzten Lichtlösungen belegt. Das Gesamtsystem bietet dabei in Echtzeit Einblicke in die Bereiche Energieverbrauch, Energieeinsparung pro Leuchte, pro Etage und für das gesamte Gebäude, sowie Visualisierungen der Anwesenheitsdaten (Personen im Raum) und der Flächennutzung. Hinsichtlich der Wartung liefert das System Benachrichtigungen über fehlerhafte Leuchten und gibt Einblicke in die Betriebsstunden und die Nutzungshistorie des Beleuchtungssystems. Auf Basis dieser Daten lassen sich neue Geschäftsmodelle wie beispielsweise das Dienstleistungsangebot NOW! realisieren. Zumtobel Kunden wird hierbei Licht als Service angeboten, indem ein optimiertes Beleuchtungsniveau, effiziente Lichtlösungen sowie dauerhafte Funktionalität mit der Möglichkeit zur attraktiven Finanzierung garantiert werden.

 

Hintergrundinformationen zur Fallstudie

Zumtobel Group AG
 
Location
Headquarter: Dornbirn
Branche
Herstellung und Vertrieb von Lichtlösungen, Leuchten, Lichtkomponenten
Anzahl Mitarbeiter
Ca. 6.700 Mitarbeiter
Jahresumsatz
1.356 Mio. € Jahresumsatz (2015/16)
Hauptkunden/Branchen
Alle Applikationen im B2B Bereich (Retail/Commerce, Office/Logistics, Cities)
Wichtigste Märkte
Weltweite Präsenz, stark etabliert in europäischen Märkten
In der Fallstudie beschriebene Aktivität / Bereich
Vernetztes Licht durch Nutzung von IoT Technologien
***
Geschäftsmodellinnovation: Licht als Dienstleistung
**
Branchenübergreifende Kooperationen
**
Homepage des Unternehmens
www.zumtobelgroup.com

* = gewisse Bedeutung / in der Implementierungsphase** = wichtig / Teil der alltäglichen Geschäftsaktivität*** = sehr wichtig / kritische Business Funktion

 

Hintergrund, Ziele und Herausforderungen

Die Zumtobel Group ist ein internationaler Lichtkonzern und führend im Bereich der innovativen Lichtlösungen und Lichtkomponenten. Mit ihren drei international etablierten Marken Thorn, Tridonic und Zumtobel, dem neuen Geschäftsbereich Zumtobel Group Services, sowie den beiden kleineren Marken acdc und Reiss bietet die Unternehmensgruppe ihren Kunden in aller Welt ein umfassendes Produkt- und Serviceangebot. Im Leuchtengeschäft ist das Unternehmen mit den Marken Thorn, Zumtobel und acdc europäischer Marktführer. Über die Marke Reiss besteht außerdem ein OEM-Geschäft für Leuchten höherer Schutzart. Mit der Komponentenmarke Tridonic nimmt der Konzern in der Herstellung von Hard- und Software für Beleuchtungssysteme (LED-Lichtquellen, LED-Driver, Sensoren und Lichtmanagement) eine weltweit führende Rolle ein.

Gebäude machen fast die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs aus. Daher wird der Beleuchtungsinfrastruktur künftige eine wesentliche Rolle zukommen, wenn es darum geht, Energie- und Kosteneinsparungen zu ermöglichen. Es wird prognostiziert, dass der Großteil der gebäudebasierten IoT Geräteinstallationen bis 2020 auf Basis der Beleuchtungsinfrastruktur erfolgen wird. Denn Beleuchtung ist sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien vorhanden, vernetzt und darüber hinaus mit einer Energiequelle verbunden. Davon abgesehen werden bereits Daten durch Leuchten erfasst, beispielsweise die Anwesenheit von Menschen in einem Raum. Bisher werden diese Daten nur für die Lichtsteuerung genutzt. In einem nächsten Schritt könnten sie aber auch außerhalb der Welt der Beleuchtung von sehr viel größerem Nutzen sein, zum Beispiel bei der Optimierung des Raummanagements.

Industrie 4.0 Aktivität und Geschäftsmodellinnovation

Industrie 4.0 Projekte im Unternehmen

Die Zumtobel Group, Bosch Software Innovations, Dassault Systèmes (ein Weltmarktführer für 3D-Design-Software) und Modcam (ein Startup mit Fokus auf digitale Bilderkennung) treiben gemeinsam ein erfolgreiches Pilotprojekt im Life Cycle Tower ONE Dornbirn voran. Das moderne Gebäude im Besitz der Rhomberg Group ist mit einer fortschrittlichen Beleuchtungslösung einschließlich eines intelligenten Steuerungssystems von Zumtobel ausgestattet. Der Life Cycle Tower ONE bietet ein ideales Umfeld für Innovationen bei vernetzten Gebäuden, da er auf höchste Standards bei Nachhaltigkeit und Nutzerkomfort abzielt.

Intelligente Sensoren optimieren Abläufe im Gebäude:Im derzeitigen Pilotprojekt wird dieses System weiter ausgebaut, um durch eine bessere Nutzung von Daten zum einen die Lichtinfrastruktur noch energieeffizienter zu machen, die Wartungskosten zu senken und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Zum anderen sollen aber die Informationen auch dazu dienen, das Raummanagement zu verbessern und die Reinigungsabläufe zu optimieren. Um dies zu erreichen, werden zusätzliche Sensoren – beispielsweise von Tridonic, einer weiteren Tochter der Zumtobel Group – integriert, unter anderem als Präsenzsensoren direkt in die Leuchten. Das Lichtsystem und die Sensoren liefern ihre Daten an die Cloud-basierte IoT-Suite von Bosch Software Innovations, wo sie gesammelt, weiterverarbeitet und analysiert werden. Die Ergebnisse werden dann in anschaulichen, leicht verständlichen Grafiken auf einer Art Armaturenbrett – einem Dashboard – dargestellt, das die Zumtobel Group zusammen mit Dassault Systèmes entwickelt hat.

Was lässt sich auf diese Weise darstellen und welche Vorteile hat dies für Mieter, Betreiber oder Gebäudemanager? Beim Lichtsystem selbst sind es natürlich die Daten über den Energieverbrauch einer jeden Leuchte, eines Büros oder eines ganzen Stockwerks zu beliebig vorgegebenen Zeiten. Zugleich erfährt man aber auch, wie oft die Nutzer manuell in die Lichtsteuerung eingegriffen haben und wie hoch – aufgrund der Historie – die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Leuchte bald ausfallen wird. Solche Informationen helfen dem Energiemanagement ebenso wie der Verbesserung der Kundenzufriedenheit und der Wartungsplanung: So können automatische Lichtstimmungen angepasst und verbessert werden, wenn man feststellt, dass sie von den Kunden oft verändert werden, und bei einem Wartungsbesuch kann man nicht nur die Leuchten austauschen, die bereits ausgefallen sind, sondern auch die, die wahrscheinlich bald ausfallen werden. Das spart Zeit und Geld.

Optimiertes Raummanagement senkt Kosten:Doch die Vorteile dieses Licht-basierten Internet der Dinge gehen noch weit über den Nutzen für das Lichtmanagement hinaus. Beispielsweise geben die Daten der Präsenzsensoren auch Auskunft darüber, wie gut definierte Zonen im Life Cycle Tower ONE überhaupt genutzt werden. Stellen dann Mieter oder Gebäudemanager fest, dass etwa in manchen Räumen im Durchschnitt kaum jemand anwesend ist, können sie diese umwidmen – etwa in Besprechungszonen oder in flexible Büros, wo sich mehrere Nutzer einen Schreibtisch teilen können. Dadurch wird das Raummanagement optimiert. Bei gleichen Kosten lässt sich so die Produktivität erhöhen, Büros mitarbeiterfreundlicher gestalten oder man kann Räumlichkeiten einsparen und dadurch die Miet- und Betriebskosten senken. Zugleich lassen sich mit diesen Informationen auch Energiesparmaßnahmen besser bewerten und es können sogar die Reinigungskräfte effizienter eingesetzt werden: Räume, die nicht genutzt werden, müssen auch nicht täglich gereinigt werden.

Um zu prüfen, welchen Zusatznutzen ein noch dichteres Datennetzwerk bieten kann, haben Zumtobel Group und Bosch Software Innovations im zweiten Stockwerk des Life Cycle Tower ONE zusätzlich 22 weitere Präsenzsensoren angebracht, die eine sogenannte „Heat Map“ liefern: Das heißt, jeder Sensor übermittelt Anwesenheitsdaten nur für sein Beobachtungsfeld – womit man sozusagen ein in 22 Pixel aufgelöstes Anwesenheitsbild des Raumes bekommt. Diese Daten erlauben natürlich keine Rückschlüsse über die Identität der sich bewegenden Personen, aber sie zeigen, welche Teile des Raumes besonders häufig und welche weniger frequentiert werden. Für die Steuerung von Licht, Klima oder Jalousien können das ebenso nützliche Informationen sein wie für das Raummanagement insgesamt.

 

Auswirkungen auf das Geschäftsmodell

Die Vernetzung der Beleuchtungsinfrastruktur mittels IoT Technologien sowie das hohe Energieeinsparungspotenzial durch moderne LED-Lichtlösungen, ermöglichen Zumtobel die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Mit dem Dienstleistungsangebot NOW! wurde ein neues Geschäftsmodell etabliert, das Kunden Licht als Service bietet und ihnen ein optimiertes Beleuchtungsniveau, effiziente Lichtlösungen sowie dauerhafte Funktionalität garantiert. Der innovative Vertriebsansatz setzt auf ein professionelles Projektmanagement und flexible Serviceverträge, die es den Kunden erlauben, das Thema Licht an die Zumtobel Group als erfahrenen Partner abzugeben. Dies bedeutet auch, dass Kunden die neue Beleuchtung nicht zwangsweise kaufen müssen, sondern Licht als reine Dienstleistung erwerben können. Hieraus resultieren auch mehrere finanzielle Vorteile für den Kunden: Das Anlagevermögen wird nicht belastet, Fördermöglichkeiten werden aufgezeigt und die sofortige Einsparung von Betriebskosten realisiert. Das monatliche Fixum für die Licht-Dienstleistung wird im Voraus klar definiert und refinanziert sich teilweise durch die eingesparten Strom- und Wartungskosten dank moderner IoT- und LED-Technologien. Realisiert wird dieses innovative Geschäftsmodell zudem über maßgeschneiderte Finanzierungsoptionen, von Leasing oder Mietkauf bis hin zu Managed Service Verträgen.

Die bisher umgesetzten Projekte zeigen, dass das neue Serviceangebot der Zumtobel Group vor allem bei Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Logistik und Handel auf großes Interesse stößt, da hier ein besonders großes Energieeinsparungspotenzial durch hohe Betriebsstunden herrscht; dabei handelt es sich sowohl um mittelständische Betriebe als auch um Großkonzerne mit einem globalen Netzwerk an Standorten oder Filialen. Um den Bedürfnissen der Kunden optimal gerecht werden zu können, setzen sich die Verträge aus verschiedenen Service-Modulen zusammen. So können neben garantiertem Beleuchtungsniveau und Energieeffizienz auch Module zur Verbesserung des Komforts der Nutzer individuell gewählt werden, wie zum Beispiel die Veränderung der Farbtemperatur, automatische Tageslicht- und Präsenzsteuerung sowie individuelle Lichtsteuerung.

Für NOW! hat die Zumtobel Group ein internationales Experten-Team bestehend aus erfahrenen Projektmanagern aufgebaut, welches die Kunden betreut und ein maßgeschneidertes Angebot zusammenstellt. Im Durchschnitt beträgt die Laufzeit der NOW! Serviceverträge zunächst drei bis zehn Jahre – mit anschließender Option auf Rückgabe beziehungsweise Übernahme der Beleuchtung, Verlängerung des Vertrages oder die Installation einer neuen, State-of-the-Art Lichtinfrastruktur durch das NOW! Team. Durch die Möglichkeit von vertraglich geregelten Technologie-Updates profitiert der Kunde während der Laufzeit stets von den neuesten Entwicklungen in der Lichtindustrie.

Die Vorteile für die Kunden können folgendermaßen zusammengefasst werden:

Alles inklusive und schlüsselfertig (Planung, Montage und Inbetriebnahme).
Sofortige Betriebskostenersparnis durch Einsatz von neuesten Beleuchtungstechnologien.
Keine Investition – monatliche Rate deckt Garantie- und Wartungsleistungen.
Maßgeschneiderte Finanzierungsoptionen (Leasing, Mietkauf, Managed Service Verträge).
Bessere Lichtqualität durch innovative LED-Lichtlösungen.

Zusammengefasst ändert sich beinahe das gesamte Geschäftsmodell durch die Etablierung von NOW!. Die größten Veränderungen ergeben sich für die Bereiche Werteversprechen (maßgeschneidertes Full-Service-Paket von Produkt und Service über die gesamte Vertragsdauer) und Erlösmodell (Umstellung von Kaufmodell auf monatliche Ratenzahlungen über bestimmte Vertragsdauer). Veränderungen ergeben sich aber auch bei den Kundenbeziehungen, Vertriebskanälen, Schlüsselaktivitäten und Schlüsselpartnern.

Neben dem neuen Geschäftsmodell von Zumtobel NOW! besteht auch die Möglichkeit aus den Sensordaten des Lichtsystems – zum Beispiel aus Präsenzsensoren – neue datenbasierende Services für die Kunden anzubieten. Diese können wiederum die Gebäudeeffizienz verbessern oder zur Optimierung des Raummanagements herangezogen werden. In welcher Form diese neuen Services dem Kunden angeboten werden und ob beziehungsweise wie diese Services monetarisiert werden, steht bis dato noch nicht fest.

Auswirkungen und Lessons Learned

Wie in anderen Branchen eröffnet das „vernetzte Licht“ neue Potenziale, bedeutet aber auch eine signifikante Herausforderung für etablierte Firmen, vor allem die Entwicklung und Implementierung neuer Geschäftsmodelle sowie die damit verbundene Neuausrichtung der Organisation betreffend:

Definition geeigneter Schwerpunkt „Use Cases“ und Aufbau profitabler Geschäftsmodelle (unter anderem Abgleich „Cost to Serve“ und „Willingness to Pay“, neuartige Software-Lizensierungsmodelle mit Partnern etc.)
Aufbau neuer Ökosysteme mit geeigneten strategischen Partnern (Technologie/Solution, Go-to-Marke)
Aufbau neuer Kompetenzen (Datensicherheit, Softwareentwicklung, Key-Account und Solution Sales, etc.)
Aufbau und Management der notwendigen Innovations- und Veränderungsprozesse (unter anderem zusätzliche Komplexität, Stakeholder Management, Lean-Startup Methoden versus existierende Prozesse)

Referenzen

Diese Fallstudie wurde umgesetzt von Mag. Gert Breitfuss

evolaris next level GmbH www.evolaris.net

Die Fallstudie ist Teil des Forschungsberichtes „Handlungsempfehlungen zur digitalen Transformation durch Industrie 4.0 und neue Geschäftsmodelle“ (Markus Lassnig, Petra Stabauer, Georg Güntner, Gert Breitfuß, Katrin Mauthner, Michael Stummer, Michael Freiler, Andreas Meilinger; 2017)