Von Walzen und Waschmaschinen… as a Service

“Everything as a Service  (XaaS)“ gilt als ein Geschäftsmodell der Zukunft. Kunden zahlen nicht für ein Produkt, sondern für dessen Nutzen. Firmen profitieren von dauerhaften Einnahmen und werden incentiviert, durable und nachhaltige Produkte anzubieten.

Beim 7. Use Case Nachmittag der ExpertInnengruppe Neue Geschäftsmodelle der Plattform Industrie 4.0 haben wir uns das Geschäftsmodell genauer angesehen. Dabei haben wir versucht, zwei Fragen zu beantworten: Welche Technologien ermöglichen ein solches Geschäftsmodell? Und wie kann das Geschäftsmodell in der Praxis umgesetzt werden? Für beide Fragestellungen wurden ExpertInnen zur Beantwortung eingeladen.

Enabling Technologies – Daten als Basis

Der Weg vom einmaligen Verkauf eines Produktes (one-time purchase) hin zum Vertrieb einer wiederkehrenden Dienstleistung (subscription model) bedeutet ein Umdenken im Unternehmen, viele Prozesse müssen neu gedacht werden. Im Verkauf gewinnt der Beziehungsaufbau zum Kunden an Bedeutung, der Customer Support wird ausgebaut und die Cashflow-Rechnung beschäftigt die Buchhaltung. Daten – über Kunden, Lieferanten, Produkte, etc. – sind dabei eine wichtige Entscheidungsgrundlage und müssen dementsprechend gesammelt, aufbereitet und den einzelnen Unternehmensbereichen zur Verfügung gestellt werden.

Haroun Shehata und Manuel Hausjell von TietoEVRY sind davon überzeugt, dass ein Data Lake“  die geeignete Grundlage für erfolgreiches Datenmanagement und daraus resultierende Geschäftsmodelle sein kann. In ihrem Vortrag gingen die beiden Digitalisierungsexperten auf die unterschiedlichen Datenarten ein, die in einem Unternehmen gespeichert werden können. Sie erklärten den Unterschied zwischen einem Data Warehouse und einem Data Lake und gingen auf die Vorteile eines  „Hadoop Distributed File Systems“ am Beispiel eines Data Lakes basierend auf Microsoft Azure ein. Auch auf die Kosten für die Umstellung auf ein solches System wurde näher eingegangen.

Wenn nun Daten vorhanden sind, wofür können sie sinnvollerweise genutzt werden? Für ein service-basiertes Geschäftsmodell sind die Auswahl des richtigen Verkaufspreises und die nutzungsbasierte Verrechnung zentrale Elemente, die mit Hilfe von Daten optimiert werden können. Genau damit beschäftigt sich das Unternehmen Mavoco. Ursprünglich aus der Telekombranche kommend, in welcher verschiedene Abrechnungsmodelle eine wesentliche Rolle spielen, beschäftigt sich das Unternehmen zunehmend mit der produzierenden Industrie. Michaela Altziebler erklärte in ihrem Beitrag, welche Verrechnungsmöglichkeiten (z.B. kWh, Minuten, eine sich öffnende/schließende Tür etc.) es gibt und wie eine „Subscription Management Platform“ bei einem XaaS-Geschäftsmodell unterstützen kann.

Early Adopters – Pioniere aus der Praxis

In vielen Bereichen sind servicebasierte Geschäftsmodelle bereits verbreitet: Im Softwarebereich werden Abo-Modelle (Software as a Service, SaaS) immer mehr zur Norm – ein monatlicher Beitrag garantiert die Funktionsweise, Software-Updates und den Customer Support. Aber auch außerhalb der Software-Branche ist das Geschäftsmodell kein unbekanntes: Wenn man an Büro-Drucker denkt, dann gibt es nur sehr wenige Firmen, deren Drucker tatsächlich in ihrem Eigentum steht. Meistens wird für Kopien, Drucktinte oder Serviceleistungen bezahlt, das Gerät selbst bleibt im Eigentum des Herstellers, der die Funktionsweise garantiert.

Doch wie sieht es in der produzierenden Industrie aus? Kann ein klassisches Industrieprodukt überhaupt als Dienstleistung angeboten werden? In der Praxis versucht dies der Rasterwalzen-Hersteller Zecher aus Paderborn. Als deutsches KMU mit 170 MitarbeiterInnen und vier Produktionswerken entwickelte man dort eine Digitalisierungs-Roadmap um die Chancen durch Industrie 4.0 bestmöglich zu nutzen. Dabei entstand das Projekt „SmartRoller“, für dessen Umsetzung Norman Knauer zuständig ist. Der mittlerweile selbstständige Berater versucht mit „Rasterwalze as a Service“ den XaaS-Ansatz in der produzierenden Praxis umzusetzen. Hr. Knauers Input beschäftigte sich insbesondere mit den Herausforderungen, die ein solches Projekt mit sich bringt. So sind z.B. die Stromversorgung der Sensoren auf einer Walze und die Sicherstellung der Konnektivität Problemstellungen, die Zecher bei der Umsetzung des Projekts noch lösen muss. Außerdem ist die Akzeptanz des Geschäftsmodells bei Kunden ein Thema, bei dem noch viel passieren muss.

Um eine Branche für ein neues Geschäftsmodell zu sensibilisieren braucht es Pioniere. Ein solcher ist Sepp Eisenriegler. Hr. Eisenriegler ist Gründer des Reparatur- und Service-Zentrum R.U.S.Z, Herausgeber des Sammelbandes „Kreislaufwirtschaft in der EU“ und XaaS-Anwender im Dienstleistungsbereich: Um 18€ pro Monat erhalten Kunden das Produkt „saubere Wäsche“ und damit ein Sorglos-Paket im Bereich der Waschmaschinen. Durch das Geschäftsmodell werden nicht nur Vorteile für Kunden generiert, es wird auch der Einsatz möglichst langlebiger Geräte incentiviert – je hochwertiger die Waschmaschine, desto lukrativer das Produkt. Die Akzeptanz der Kundschaft ist für „Waschmaschine as a Service“ ein wichtiger Aspekt, auch das wirtschaftliche und regulatorische Umfeld sind für den Erfolg des Ansatzes von Bedeutung. Daher setzt sich Sepp Eisenriegler auf internationaler Ebene für reparaturfreundliche und die Langlebigkeit fördernde Gerätestandards sein und arbeitet z.B. in einem EU-Projekt an Maßnahmen gegen Elektroschrott. Um die Reparatur-Infrastruktur in Europa zu verstärken plant Hr. Eisenriegler in naher Zukunft die Expansion seines Modells im DACH-Raum – mit Hilfe eines „Social Franchising“-Systems.

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In einem Interview bei der Preisverleihung des „Living Standards Award“ von Austrian Standards erläutert Sepp Eisenriegler seine Aktivitäten im Bereich der Standardisierung

Wir bedanken uns herzlich bei allen Vortragenden für ihre wertvollen Beiträge zur Veranstaltung!

Use Case Nachmittage der Plattform Industrie 4.0

Die Use Case Nachmittage der Plattform Industrie 4.0 zielen darauf ab, einen Einblick in aktuelle, interessante und inspirierende Geschäftsmodelle und Technologien bzw. deren Anbieter zu geben und diese vor den Vorhang zu holen. Sie sind ein Format der ExpertInnengruppe Neue Geschäftsmodelle und sind für alle Mitglieder der Plattform Industrie 4.0 zugänglich. Sollte Ihr Unternehmen Mitglied, aber nicht auf dem Verteiler der ExpertInnengruppe Neue Geschäftsmodelle sein, melden Sie sich gerne bei michael.fellner@plattformindustrie40.at.

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Beitragsbild von Slidebean auf Unsplash

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Michael Fellner