Edge Computing – aktuelle Entwicklungen

Wo gehobelt wird, fallen Späne“ lautet ein bekanntes Sprichwort. Umgelegt auf die moderne Industrie wäre eine Abwandlung möglich: „Wo produziert wird, entstehen Daten“. Daten müssen erhoben, gesammelt und verarbeitet werden, damit der aus ihnen entstehende Wert maximiert werden kann. Dafür braucht es sowohl kompetente MitarbeiterInnen mit dem passenden Know-How, als auch die passende technische Infrastruktur. Bei letzterer spielen die Themen Edge & Cloud Computing eine zentrale Rolle.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei einer internen Befragung der Mitglieder der Plattform Industrie 4.0 das Thema „Aktuelle Entwicklungen im Bereich Cloud & Edge“ als sehr relevant bewertet wurde. In der ExpertInnengruppe Forschung, Entwicklung und Innovation befassen wir uns daher mit dem Thema – in einem ersten Schritt mit Edge Computing und der Konnektivität bzw. Datenerhebung direkt an Produktionsmaschinen. In einem Workshop dazu erläuterten im Februar 2021 acht Vortragende ihre Perspektiven zum Thema.

Edge – Die Anwendung bestimmt die Auswahl

In Kapfenberg in der Steiermark befindet sich das Smart Production Lab des Instituts für Industrial Management der FH Joanneum. Auf 600m² forschen dort Prof. Barbara Mayer und ihr Team, darunter Dominik Tantscher und Raphael Hartner, an konkreten Industrie 4.0-Themen. Use Cases mit verschiedenen Edge Devices werden an der Schnittstelle zwischen Industrie und Wissenschaft erprobt, dem entsprechend verfügt man über einen umfassenden Überblick zu verschiedenen Edge Lösungen.

Diesen Überblick brachten Prof. Mayer, Hr. Tantscher und Hr. Hartner auch in ihrem Input ein. Zuerst wurde Edge Computing definiert: Bei Edge Computing befinden sich relevante IT-Ressourcen (z.B. Speicherkapazität oder Rechenleistung) möglichst nah an den datengenerierenden Endgeräten und Sensoren, sprich: nah an der Maschine. Ziel dieser Nähe ist die Optimierung von Bandbreite, Performance, Lantenzzeiten und – natürlich – Kosten. Ein Edge Device kann also als die „Intelligenz vor Ort“ bezeichnet werden. Welche Architektur, welche Software und welche Devices am besten geeignet sind um eine Anlage digital zu erschließen hängt stark vom Anwendungsfall ab und derer gibt es viele im Smart Production Lab.

Im Vortrag wurden anschließend zwei konkrete Anwendungsfälle vorgestellt: Zum einen wurde eine CNC-Drehmaschine einem Digital Retrofit unterzogen, mit dem Ziel den Werkzeugverschleiß auf Basis von Echtzeit-Maschinendaten automatisiert zu erkennen. Zum anderen wurde ein Projekt zur IoT-Integration eines autonomen Fahrzeuges vorgestellt. Wie angekündigt kamen in beiden Fällen sehr unterschiedliche Edge Devices zum Einsatz, denn: Die Anwendung bestimmt die Auswahl.

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Das Smart Production Lab der FH Joanneum in Kapfenberg in einem Beitrag des steirischen ORF

20 Standorte und 200 Maschinen – ein Use Case im Detail

Unterschiedliche Edge Devices, unterschiedliche Anwendungsgebiete – natürlich gibt es auch zahlreiche Anbieter im Bereich Edge Computing. Ein solcher Anbieter ist die die Firma BECKHOFF Automation, die vertreten durch Balazs Bezeczky gemeinsam mit Andreas Roithner-Voigt von TietoEVRY einen konkreten Use Case aus der unternehmerischen Praxis beisteuerte.

Im Mittelpunkt des Vortrages standen die Herausforderungen des Projektes und deren Lösungen: Im konkreten Fall mussten 20 Standorte europaweit vernetzt werden, über 200 Maschinen von mehr als 15 Herstellern wurden mit Edge Devices ausgestattet. Hr. Bezeczky und Hr. Roithner-Voigt erläuterten die Ausgangssituation ihres Kunden, die verschiedenen Phasen des Projekts, die technischen Herausforderungen und den Aufbau des Systems, das etabliert wurde.

Spannend waren insbesondere die Erkenntnisse und Lerneffekte der Vortragenden, darunter: Information Technology (IT) und Operation Technology (OT) müssen für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte in Einklang gebracht werden. Ein (skalierbares) Pilot-Projekt kann für große Projekte äußerst hilfreich sein, auch um den Aufwand für die Integration von Bestandsgeräten (Brownfield Devices) nicht zu unterschätzen. Für die Umsetzung äußerst relevant ist auch die Auswahl der passenden Umsetzungspartner – sowie der für den Anwendungsfall optimalen Software und Hardware.

 

Use Case: Edge-Einsatz bei Hochleistungswerkstoffen

Mit dem Thema Cloud & Edge beschäftigt man sich in unterschiedlichsten Branchen. Eine davon ist die Stahlproduktion: Bei der voestalpine High Performance Metals GmbH, der auf Hochleistungswerkstoffe fokussierten Division im voestalpine-Konzern, wurde eine technische Lösung gesucht um mehr Transparenz im Produktionsprozess zu erzielen. Gefunden wurde diese Lösung durch Siemens Industrial Edge. Martin Feischl von Siemens und Martin Hackhofer (voestalpine High Performance Metals) präsentierten in ihrem Input ihre Zusammenarbeit und die Erkenntnisse daraus.

Das Siemens Portfolio im Bereich Edge Computing umfasst unterschiedliche Geräte, auf diesen laufende Apps und das Edge Management, die zentrale Infrastruktur für die Verwaltung. Hr. Feischl ging in seinem Vortrag auf die technischen Aspekte der Siemens-Lösungsansätze und auf das Portfolio des Unternehmens ein. Außerdem wurde die Anlage der Zukunft beschrieben und welche Aspekte dafür zentral sind.

Anschließend wurde der konkrete Anwendungsfall für die beschriebene Lösung vorgestellt: Am Beispiel einer Bandsäge, von denen bei der voestalpine zahlreiche im Einsatz sind, ging Hr. Hackhofer auf die Herausforderungen des Retrofittings, die Wichtigkeit von Schnittstellen (Stichwort: OPC UA) für Alt- und Neu-Anlagen und den Fokus seitens voestalpine auf Verlässlichkeit und Skalierbarkeit ein.

ICOtronic: Aus der Forschung in die Industrie

Wenn Innovationen im Bereich der Fertigungstechnik im Zentrum stehen, dann führt bei Prof. Friedrich Bleicher und dem Institut für Fertigungstechnik (IFT) an der TU Wien kaum ein Weg vorbei. Prof. Bleicher beschäftigt sich dort mit zahlreichen Themen von hoher Relevanz für den produzierenden Bereich – eines davon ist Edge Computing.

Fräsprozesse sind eine Herausforderung für Maschinenbauer: Komplexe Formen, dünnwandige Werkstücke oder schwierige Spannlagen können zu einem erhöhten Werkzeugverschleiß oder zu schlechter Qualität führen. Die Verbesserung von instabilen Fräsprozessen war daher das Ziel des vorgestellten Projekts. Mit „ICOtronic“ wurde ein Edge Device entwickelt, das dabei hilft das qualitätsmindernde Rattern in einem Fräsprozess zu vermeiden.

In seinem Vortrag ging Prof. Bleicher auf die Eigenschaften, die Funktionsweise und die technischen Spezifikationen von ICOtronic ein. Das Resultat der Innovation ist eine höhere Feinfühligkeit im Fräsprozess: Mit Hilfe des Devices und der eigens entwickelten Algorithmen wird der Beginn einer Ratterschwingung am Device selbst erkannt und dessen Betrieb direkt angepasst. Dadurch kann der Fräsprozess optimiert, die Lebensdauer von Werkzeugen erhöht und die Produktivität eines Unternehmens gesteigert werden.

Im intelligenten Werkzeughalter „iTENDO“ der Firma Schunk ist die ICOtronic-Technologie bereits im Einsatz – wie im folgenden Video ersichtlich:

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Wo gehobelt wird, fallen Späne – wo produziert wird, entstehen Daten: Im Falle des durch Prof. Bleicher vorgestellten Use Cases passiert beides, optimiert durch oben beschriebene „Intelligenz vor Ort“, direkt am Edge Device.


Wir bedanken uns bei allen Vortragenden und bei allen TeilnehmerInnen unserer Veranstaltung! Die Sitzungen der ExpertInnengruppe Forschung, Entwicklung und Innovation sind für alle Mitglieder der Plattform Industrie 4.0 zugänglich. Sollte Ihr Unternehmen Mitglied, Sie aber nicht auf dem Verteiler der ExpertInnengruppe Forschung, Entwicklung und Innovation sein, melden Sie sich gerne bei michael.fellner@plattformindustrie40.at.

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Foto von Garett Mizunaka auf Unsplash