Im Rahmen eines Research Insights am 3. September 2025 stellte Gabriele Schmid, Stabstelle Fachkräfte der Arbeiterkammer Wien, das Whitepaper „Fachkräftebedarf in Österreich – Analyse der Ursachen, Status der Quantifizierung und steuernde politische Maßnahmen aus Arbeitnehmer:innensicht“ vor.
Das Thema der Fachkräfte ist eine zentrale Zukunftsfrage für alle Wirtschaftsbereiche, insbesondere für die Produktion. Der Vortrag beleuchtete die aktuelle Situation, die Ursachen des Fachkräftemangels sowie mögliche Lösungsstrategien.
Fünf zentrale Befunde
- Begrenzte Datengrundlage: Obwohl das Thema Fachkräfte regelmäßig in der Öffentlichkeit diskutiert wird, fehlt es an einem umfassenden, verlässlichen Überblick über die tatsächliche Situation und Entwicklung.
- Hoher Ersatzbedarf: Besonders in systemrelevanten Branchen, wie Energie, Verkehr, öffentlicher Verwaltung oder Produktion, wird in den kommenden Jahren eine große Zahl an Arbeitskräften in Pension gehen.
- Kosten des Nichthandelns: Ohne gezielte Gegenmaßnahmen drohen hohe wirtschaftliche Folgekosten durch fehlende Fachkräfte.
- Notwendigkeit einer Gesamtstrategie: Der Fachkräftemangel ist eine Querschnittsmaterie und kann nur durch abgestimmte Maßnahmen in Bildung, Arbeitsmarkt, Migration und Unternehmenspolitik bewältigt werden.
- Potenziale besser nutzen: Österreich verfügt über ungenutzte Arbeitskräftepotenziale, etwa in der „stillen Reserve“, unter Teilzeitbeschäftigten oder durch gezielte Zuwanderung.
Ursachen des Fachkräftemangels
- Demografischer Wandel: Die Erwerbsbevölkerung schrumpft erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg; bis 2040 wird sie laut Prognosen weiter sinken. Gleichzeitig steigt der Anteil älterer Beschäftigter stark an.
- Rückgang der betrieblichen Ausbildung: Weniger Lehrbetriebe, vor allem im Handwerk, und rückläufige betriebliche Weiterbildung verschärfen den Mangel.
- Technologische und ökologische Transformation: Digitalisierung, Automatisierung und Klimawandel verändern Tätigkeitsprofile rasant und erfordern neue Kompetenzen.
Besondere Herausforderungen
Die größten Lücken entstehen derzeit in technischen Berufen, der IT, der Energiewirtschaft und in mittleren Qualifikationsstufen (z. B. Facharbeiter:innen). Parallel dazu steigt der Bedarf an qualifizierten Kräften für den sozial-ökologischen Umbau.
Ansatzpunkte für Lösungen
- Altersgerechte Arbeitswelt: Förderung von Gesundheit, Qualifikation und Wissensaustausch zwischen Generationen (z. B. Wissenstandems, flexible Arbeitszeitmodelle).
- Qualifizierungsoffensive: Stärkung der Grundkompetenzen in Schulen, Reform der Lehrausbildung und bessere Zugänge zur Weiterbildung für Erwachsene.
- Anerkennung vorhandener Kompetenzen: Sichtbarmachung von Qualifikationen, auch wenn diese informell oder im Ausland erworben wurden.
- Zuwanderung und Willkommenskultur: Gezielte Fachkräftezuwanderung, raschere Anerkennungsverfahren und bessere Integrationsangebote.
- Gleichstellung fördern: Mehr Frauen für technische Berufe gewinnen und Rahmenbedingungen schaffen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern.
Der Fachkräftebedarf ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance: Wenn Qualifizierung, Integration und Transformation strategisch zusammengedacht werden, kann Österreich die aktuelle Situation nutzen, um eine zukunftsfähige, hochqualifizierte Arbeitswelt zu gestalten.
