Datenaustausch in der Produktion: Neuigkeiten und Entwicklungen (12. Check-In)

Die regelmäßigen „Check-Ins“ der Domain Manufacturing informieren über Neuigkeiten zu Data Sharing, Gaia-X, Manufacturing-X & Co. Im Fokus des virtuellen Austauschformates der Plattform Industrie 4.0 (kostenlose Anmeldung) stehen konkrete Neuerungen mit Produktionsbezug, die sich seit dem letzten Austausch ergeben haben. Dieser Artikel fasst wesentliche Inhalte des Check-Ins kurz zusammen. Die Langfassung des Protokolls wird über den Verteiler der Domain Manufacturing verschickt.

Manufacturing-X: Updates zu Factory-X

Factory-X ist das größte geförderte Projekt im Rahmen der deutschen Manufacturing-X-Initiative. Die Projektpartner kommen u.a. aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie aus der IT-Industrie:

Tabellarische Darstellung der Factory-X-Projektpartner

Im Juli fanden die ersten Treffen des „Technical Council“ sowie des „Customer Sounding Boards“ statt. Zur Erinnerung: Das Technical Council soll Technologie-Anbietern Einblicke und Interaktionsmöglichkeiten mit Factory-X bieten, das Customer Sounding Board soll Anwender einbinden.

Im Technical Council wurde die Software-Architektur vorgestellt, die über Factory-X für alle Manufacturing-X-Projekte entwickelt werden soll. Im Mittelpunkt der Entwicklung steht die standardisierte IT-/OT-Integration. Die geplante Software, der „Factory-X Kernel“, soll die Integration von Software-Anwendungen produzierenden Firmen erleichtern.

Die Schnittstelle zwischen Betrieben, bestehenden und neuen Anwendungen soll über einen „FX-Port“ erfolgen. Beim FX-Port handelt es sich um ein technologie-neutrales Konzept, das die Schnittstelle zwischen Anwendungen von unterschiedlichen Unternehmen und innerhalb von Unternehmen bildet. Je nach Bedarf sollen unterschiedliche Technologien, z.B. die Eclipse Dataspace Components, den FX-Port umsetzen. Welche Voraussetzungen der FX-Port genau erfüllen muss, wird derzeit über die 11 Factory-X Use Cases erhoben.

Bestehende Standards spielen bei der technischen Umsetzung von Manufacturing-X eine zentrale Rolle. Alle Entwicklungen innerhalb von Manufacturing-X müssen dem Dataspace Protocol Die Eclipse Dataspace Components sollen als Referenz-Implementierung eingesetzt und in den verschiedenen Projekten erweitert werden.

Im Rahmen des Customer Sounding Board standen die 11 verschiedenen Factory-X Use Cases im Mittelpunkt. Alle betreffen die Lieferketten und -netzwerke der Fabriksausstatter, sprich: des Maschinen- und Anlagenbaus sowie der Automatisierung. Im Projekt selbst sind sowohl Technologieanbieter als auch -anwender vertreten.

Was sind die 11 Use Cases und was soll umgesetzt werden?

  1. Integrated Toolchains and Collaborative Engineering: Ein offener, sprich: nicht proprietärer, Standard soll die anwendungsübergreifende, gemeinsame Produktentwicklung ermöglichen.
  2. Information Update and Change Service: Bei Produkten mit großen Software-Anteilen soll die Ausrollung von Updates vereinfacht werden. Produkthersteller sollen firmenübergreifend Kunden einfach über Produktupdates informieren können.
  3. Collaborative Information Logistics: Der Austausch von Informationen und Daten zwischen verschiedenen Unternehmen in einem Produktionsprozess soll herstellerunabhängig und plattformübergreifend möglich werden. BASF leitet den Use Case und ist als Fabrikbetreiber involviert. Der Informationsaustausch soll zwischen Fabrikbetreiber, Komponentenhersteller (Hilscher, PhoenixContact und Siemens), Maschinenhersteller (DMG MORI, Uhlmann) und Service Provider (TÜV Süd Chemieservice) erfolgen und dabei bestehende Software anbinden. Als Softwarehersteller sind im Use Case Codewerk, SAP und Sharecat Solutions involviert. Derzeit werden passende Technologien für den Datenaustausch evaluiert, z.B. die Asset Administration Shell.
  4. Condition Monitoring led Services: Hersteller und Betreiber sollen mit Hilfe von Datenaustausch gehaltvollere Schlüsse zum Zustand ihrer Anlagen ziehen können.
  5. Modular Production: Der Aufbau einer Produktion sollen mit Hilfe sich selbst beschreibender Maschinen und mit der dezentralen Kontrolle von Produktionsprozessen vereinfacht werden. Der Use Case soll auf die Vorarbeit von Catena-X
  6. Manufacturing as a Service – On Demand Manufacturing: Prozesse in der insbesondere für KMU wichtigen Auftragsfertigung sollen in diesem Use Case automatisiert und vereinfacht werden. Auch dieser Use Case ist an Catena-X angelehnt.
  7. Autonomous Operation-as-a-Service: Der Use Case soll die ferngesteuerte Wartung, Steuerung und Bedienung von Maschinen mit Hilfe von Software erleichtern.
  8. Traceability: Catena-X fokussiert auf die Rückverfolgbarkeit von Bauteilen und Produkten in der horizontalen Lieferkette, vom Zulieferer bis hin zum Kunden. Der Factory-X Use Case soll die vertikale Rückverfolgbarkeit umsetzen: vom Wareneingang über den Shopfloor bis in die Logistik.
  9. Energy-Consumption and Load Management: Energieressourcen im Unternehmen zu überwachen und zu steuern ist das Ziel des Use Cases. Dabei soll nicht nur der Energieverbrauch eines Unternehmens optimiert werden – fabrikübergreifend sollen durch den Datenaustausch Spitzenlasten vermieden werden.
  10. Carbon Footprint Management: Der CO2-Fußabdruck eines Produkts soll aufbauend auf tatsächlichen Zulieferer-Daten berechnet werden. Der Use Case orientiert sich wiederum an Catena-X.
  11. Circular Economy: Rund um das Thema Kreislaufwirtschaft soll die Nachnutzung von Industriegütern vereinfacht werden – ein verstärktes Remanufacturing, Recycling und Refurbishment sind Ziele im Use Case. Werkzeugmaschinen sind z.B. bis zu 70 Jahre lang in Betrieb und wechseln 3–4-mal ihre Eigentümer – aufgrund von Unwissen werden dann oft wertvolle Komponenten einfach entsorgt. Im Use Case soll u.a. Software entwickelt werden, die den Zustand und geschäftlichen Wert von Komponenten einschätzt und die dadurch die Nachnutzung von Komponenten lukrativer machen soll. Dafür notwendig: die Erfassung von Sensordaten aus heterogenen Quellen und der firmenübergreifende Datenaustausch über die Lebenszeit der Maschine hinweg. Um das umzusetzen sind im Use Case neben verschiedenen Maschinenbauern (DMG MORI, TRUMPF, Uhlmann) auch Komponenten-Zulieferer, Fabrikbetreiber und Software-Anbieter beteiligt.

Insgesamt sollen in Factory-X rund 150 Anwendungen entstehen. Forschungseinrichtungen und Standardisierungsorganisationen sind in den Use Cases ebenfalls eingebunden.

Manufacturing-X: Projekt Decide4ECO

Die Standardisierung und die Produktentwicklung sind der Kern des Decide4ECO-Projekts. Das hier bereits kurz besprochene Projekt ist bereits beschlossen und wird seit April im Rahmen von Manufacturing-X umgesetzt.

Für die Umsetzung stehen 6 Mio. € zur Verfügung, geleitet wird das Projekt vom PLM-Anbieter Prostep. Mit Contact Software und NEXPIRIT sind weitere Softwareanbieter an Board. Als Anwendungspartner sind die Unternehmen Hadi-Plast (Kunststoffverarbeitung), BOS (Automobilzulieferer) und Sennheiser (Elektronik) involviert. Die Universität Paderborn bringt wissenschaftliches Knowhow ein.

Im Unterschied zu anderen Manufacturing-X-Projekten gibt es bei Decide4ECO keinen Branchenfokus. Der Fokus liegt auf der Produktentwicklung, Daten sollen bereits beim Produktdesign verwendet werden und zu mehr Nachhaltigkeit führen. Dafür werden Daten aus unterschiedlichen Quellen benötigt – Standards sind entsprechend wichtig für das Projekt.

Technisch setzt man bei Decide4ECO auf die Eclipse Dataspace Components und die Asset Administration Shell. Beide Technologien sollen in die Angebote der am Projekt beteiligten Softwareanbieter integriert werden. Zusätzlich sollen im Projekt neue Anwendungen mit Mehrwert für die nachhaltige Produktentwicklung entstehen.

Manufacturing-X: IMX Council in Wien

Am 12. September organisieren wir mit der Plattform Industrie 4.0 ein Treffen des International Manufacturing-X Councils rund um den Digitalen Produktpass in Wien. Am 13. September wiederum organisieren wir eine Podiumsdiskussion zu Manufacturing-X im Rahmen der Technology Talks des AIT. Es werden Vertreter von Siemens, Innovalia, VDI, Brainport Industries, AVL, DMG MORI, Catena-X, TRUMPF und Schneider Electric dabei sein.

Neuerungen zu Cofinity-X und Catena-X

Mittlerweile werden am Cofinity-X Marktplatz gut 20 verschiedene Applikationen angeboten, die man als Teil des Netzwerks nutzen kann. Dazu zählen u.a. Angebote zur Erstellung von Batteriepässen, die von Spherity und seit Ende Juni auch von Circulor angeboten werden. Ebenfalls am Marktplatz verfügbar ist seit Ende Juli eine Applikation zur Berechnung des Product Carbon Footprint für Kunden von BASF.

Nach VW und Schaeffler hat nun auch BMW das Cofinity-X Business Partner Data Management implementiert. Der „Golden Record Service“ soll Stammdaten vereinheitlichen und laufend aktualisieren. Die Vorgehensweise soll die innerbetriebliche Effizienz steigern und dabei helfen, regulatorische Vorschriften einfacher einzuhalten.

Seit Ende Juli 2024 ist das Förderprojekt Catena-X offiziell beendet. Im Juli wurde eine grafische Darstellung des Catena-X-Leistungsportfolios veröffentlicht, die zusammenfasst, was im Projekt entwickelt bzw. erreicht wurde:

Darstellung des Catena-X-Portfolios
Entwickelte Angebote im Rahmen des Projekts Catena-X, Stand Juli 2024 (Quelle: Catena-X Automotive Network e.V.)

Projektupdates

Ende Juni stellte Markus Spiekermann von Huawei das Projekt Boot-X im österreichischen Gaia-X Hub vor. Bei Huawei möchte man auf dem Gaia-X Trust Framework aufbauen und das Dataspace Protocol verwenden. Außerdem will sich Huawei an den Eclipse Dataspace Components orientieren. Ein erster Use Case wird zusammen mit der spanischen TECNALIA im Bereich Smart Cities umgesetzt.

Im europäischen Forschungsprojekt Flex4Res hat man kürzlich bekannt gegeben, auf das Web3-basierte Pontus-X-Ökosystem als Technologie zu setzen. Man möchte auf die Ergebnisse des EuProGigant-Projekts aufbauen und bei der Umsetzung des Projekts mit der deutschen deltaDAO AG zusammenarbeiten.

Gaia-X Entwicklungen: Personal, neue Clearing Houses

Alberto Palomo ist seit kurzem „Chief Strategy Officer“ der Gaia-X AISBL. Davor war er als Chief Data Officer der spanischen Regierung tätig und Vorsitzender des Gaia-X Governmental Advisory Boards.

Mittlerweile gibt es fünf aktive Gaia-X Digital Clearing Houses. Für Softwareanbieter, die ihre Applikationen an Gaia-X anbinden wollen, bieten die Clearing Houses unterschiedliche zusätzliche Services. T-Systems bietet z.B. die direkte Anbindung an das Catena-X-Netzwerk an, Aruba wirbt mit zusätzlichen Funktionen, die man über ihr Clearing House als Services beziehen kann. Einen sehr guten Überblick zu den Gaia-X Digital Clearing Houses bietet der deutsche Gaia-X Hub.

Danke und Teilnahme

Danke für den Austausch im 12. Check-In der Gaia-X Hub Austria: Domain Manufacturing! Schicken Sie uns gerne Kommentare, Ergänzungen oder Kritik an michael.faelbl@plattformindustrie40.at – wir freuen uns über Rückmeldungen aller Art.

Die Check-Ins sind öffentlich und kostenlos zugänglich, Interessierte können sich auf den Verteiler setzen lassen. Ermöglicht werden die Check-Ins aus den Mitteln der Plattform Industrie 4.0 – wir finanzieren uns aus Mitgliedsbeiträgen. Wenn die vermittelten Informationen für Sie einen Mehrwert darstellen, dann freuen wir uns, wenn Sie auch Mitglied der Plattform werden.

Foto von Chris Ried auf Unsplash

Michael Fälbl