Ergebnispapier „Forschung, Entwicklung & Innovation in der Industrie 4.0“ präsentiert

Experten prognostizieren, dass durch Industrie 4.0 Produktinnovationen, neue Geschäftsmodelle, Qualitätsverbesserungen, verbesserte Produktivität und Ressourceneffizienz angestoßen werden. Angesichts dieser Chancenvielfalt geht man von einer Reindustrialisierung der heimischen Industrie aus – laut Schätzungen sollen dadurch bis 2025 47-48 Mrd. Euro an zusätzlicher Produktion und 22-38 Mrd. Euro an zusätzlicher Wertschöpfung hierzulande entstehen. Aktuell haben bereits 6 Prozent der österreichischen Industrieunternehmen ihre Produktion in die Alpenrepublik zurückgeholt – Tendenz steigend. Diese Entwicklung wird auch positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben: Prognosen schätzen, dass durch Industrie 4.0 in Deutschland die Beschäftigtenanzahl in der Industrie um rund 350.000 steigen wird – umgelegt auf Österreich kann man deshalb von einem Zuwachs von rund 35.000 Arbeitskräften ausgehen.

„Als Plattform sehen wir uns als Innovationskatalysator, der wichtige Themen für die Zukunftsfähigkeit des heimischen Produktionsstandortes vorantreibt. Wir wollen die Digitalisierung fest in den Köpfen verankern – denn durch die dabei entstehenden Chancen, ob nun globaler Wettbewerb, neue Geschäftsmodelle oder Innovationsfähigkeit, können sich österreichische Unternehmen weiterentwickeln oder sogar neuerfinden. Mit der Technologie-Roadmap für Industrie 4.0 wollen wir die Weichen dafür stellen“, führt Kurt Hofstädter, Vorstandsvorsitzender der Plattform Industrie 4.0 Österreich & Leiter Siemens Digital Factory CEE, aus.

Forschung muss gefördert werden

Damit Unternehmen auch verstärkt in Forschung investieren, müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Laut Statistik Austria sollen die Ausgaben für Forschung 2018 auf fast 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder mehr als 12 Mrd. Euro steigen – damit hat Österreich eine gute Ausgangsposition. Haupttreiber für Forschung und Entwicklung sind heimische und ausländische Unternehmen, die für fast zwei Drittel der Forschungsausgaben verantwortlich zeichnen, die öffentliche Hand trägt rund ein Drittel dazu bei.

Wichtig ist es deshalb, einerseits die rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen zu verbessern sowie den Wissenstransfer aus der Forschung in die Anwendung zu forcieren. Andererseits wäre es wünschenswert, die finanzielle Unterstützung und Absicherung der Forschung und Technologieentwicklung durch die öffentliche Hand auszubauen. Etwa durch die Förderung von themenübergreifenden Projekten, da IKT- und Produktionswelt immer mehr miteinander verschmelzen. Indirekt auch durch steuerliche Begünstigungen für Unternehmen und auch durch eine höhere Dotierung der für Industrie 4.0 relevanten themenoffenen und themenspezifischen österreichischen Förderprogramme wie etwa „Produktion der Zukunft“.

„Das Programm ‚Produktion der Zukunft‘ ist das beste Beispiel dafür, welcher Förderbedarf in Österreich besteht – so musste beispielsweise 2016 knapp die Hälfte der eingereichten Industrie 4.0-Projekte aus budgetären Gründen abgelehnt werden, was auf einen hohen Forschungsbedarf schließen lässt. Nur wenn der Forschungsmotor läuft, können wir die industrielle Produktion auf lange Sicht in Österreich halten. Und wenn dieser Motor dann Kilometer auf der Straße zurücklegt, werden auch Arbeitsplätze gesichert“, so Isabella Meran-Waldstein, Plattform Industrie 4.0 Österreich-Vorstandsmitglied & Bereichsleiterin „Forschung, Technologie & Innovation“ bei der Industriellenvereinigung.

Zentrale Forschungsfelder

In der Technologie-Roadmap hat die Plattform Industrie 4.0 Österreich acht zentrale Forschungsfelder identifiziert. Diese dürfen allerdings nicht als abgeschottete Einzelmaterien verstanden werden, sondern werden erst durch das Zusammenspiel zentrale Stützen der industriellen Zukunft: Virtualisierung wird erst durch intelligente Sensorsysteme und Softwarelösungen, die auf innovativen Maschinen (physische Systeme) Anwendung finden, möglich. Diese Kombination schafft ein Cyber-Physical-System. Damit es bedient werden kann, bedarf es intelligenter Arbeits- und Assistenzsysteme sowie Erfahrung und Fachwissen (Domänenwissen). Durch Industrie 4.0-Anwendungen, den Einsatz neuer Technologien und Domänenwissen entstehen neue Geschäftsmodelle.

„Die von uns identifizierten Felder kann man wie eine erfolgreiche Fußballmannschaft sehen – jeder Einzelne hat eine wichtige Rolle, doch zum Meistertitel führt nur ein abgestimmtes Zusammenspiel. Auch eine Fanbasis ist im Fußball wichtig, um den Motivationsfaktor zu steigern – wir hoffen auf eine ebensolche für unsere Technologie-Roadmap: Sie soll ein Indikator für Politik und Unternehmen sein, welche technologischen Entwicklungen für eine erfolgreiche und nachhaltige Industrieproduktion in Österreich erstrebenswert wären“, betont Stefan Rohringer, Arbeitsgruppenleiter „Forschung, Entwicklung & Innovation“ der Plattform Industrie 4.0 Österreich & Leiter des Development Centers Graz der Infineon Technologies Austria AG.

Konkret handelt es sich um diese Forschungsfelder:

  • Virtualisierung: Präzise digitale Abbildungen – Stichwort digitaler Zwilling – bilden die Voraussetzung für Industrie 4.0. Hier muss daran gearbeitet werden, bereits vor der Produktion anhand eines Modells Produkteigenschaften und Produktionsabläufe vorherzusagen, zu steuern und zu verfolgen.
  • Sensorsysteme: Messsysteme liefern wichtige Informationen für die Produktion und gewinnen somit vor allem für die Qualitätskontrolle zunehmend an Bedeutung. Sensoren müssen deshalb intelligenter (Selbstdiagnose, vorausschauende Instandhaltung) und energieeffizienter werden.
  • Software Engineering ist eine Industrie 4.0-Schlüsseltechnologie, ermöglicht sie doch die Verhaltenssteuerung und -kontrolle von Systemen. Software sollte in der Zukunft adaptiver werden, um sich den immer schneller wechselnden Anforderungen in der Produktion einfacher anzupassen.
  • Physische Systeme: Smarte Maschinen und Roboter werden zentral für die Produktion werden, durch additive Fertigung (3D-Druck) kann schneller und sicherer produziert werden. Auch neue Werkstoffe halten Einzug in die Produktion.
  • Cyber-Physical-Systems sind das Industrie 4.0-Herzstück. Diese Maschinen sollten zukünftig mit Menschen interagieren und zusammenarbeiten, anstatt nur Aufgaben zu erledigen. Dadurch werden neue intelligente Produktionssysteme geschaffen, die bei Wartungsbedarf beispielweise gleich selbst den Techniker bestellen.
  • Arbeits- und Assistenzsysteme: Mit Assistenzsystemen wie Augmented Reality wird die Benutzerschnittstelle zwischen Mensch und Maschine verbessert. Das wird auch Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation und Kompetenzen haben – dafür muss noch Bewusstsein und Akzeptanz geschaffen werden.
  • Wertschöpfungsnetzwerke und Geschäftsmodelle: Industrie 4.0 verändert die Wertschöpfung und Geschäftsmodelle – Produzenten werden zunehmend zu Serviceanbietern. Datengetriebene und -basierte Modelle sind der Schlüssel dazu.
  • Domänenwissen und Schlüsseltechnologien: Erfahrungs- und Prozesswissen der Mitarbeiter gepaart mit neuen Technologien kann praxisnahe Innovationen schaffen. Forschungsansätze in diesem Bereich sollten sich unter anderem auf Qualifikation und Wissensmanagement, aber auch auf EU-Schlüsseltechnologien wie Mikro- und Nanoelektronik oder Photonik fokussieren.

Die vollständige Technologie-Roadmap finden Sie unter: Download